90 Jahre Theater im Turn- und Sportverein

Die Vereine der deutschen Turnerschaft widmeten sich nicht nur der Leibesertüchtigung. Als Organisatoren von Theateraufführungen waren sie auch in gesellschaftlich- kulturellen Bereichen aktiv. Der Turnverein Rohrdorf präsentierte anlässlich seines 10-jährigen Stiftungsfests am 6. Februar 1921 zum ersten Mal eine Theatergruppe. Im Gasthaus zur Sonne kamen gleich zwei Stücke zur Aufführung: die Posse Pappenheimer Landsturm und der Einakter Der verhaftete Turnverein ergänzten die turnerischen Darbietungen und trugen wesentlich zum Gelingen des Abends bei.

Auch in den folgenden Jahren „verwandelte sich die Turnstätte in eine Bühne“ und die Theaterspielgruppe eroberte sich einen festen Platz im Programm der Jahresfeiern des Turnvereins. Mit Darbietungen aus dem Turnmilieu „werbend für die schöne Sache zu spielen“ und heiteren Einlagen voller „jugendfrischen Frohsinn“ trafen die Theaterleute den Geschmack des Publikums. 1927, als der Verein sein Turnfest zum ersten Mal im Rohrdorfer Gasthaus Ochsen veranstaltete, waren die Auftritte der Theatergruppe schon zu einer zentralen Attraktion des Programms geworden. Die Turnfeier im Februar 1928 stand schließlich ganz im Zeichen des Rohrdorfer Theaterensembles. Der Glockenguss zu Breslau, die Inszenierung einer mittelalterlichen Sage, war mit Spannung erwartetet worden und die Aufführung übertraf die hochgesteckten Erwartungen. Der Rezensent des Gesellschafters war begeistert: „Die richtige Erschaffung dieses gewaltigen Spielganges … die zum Naturell jedes Spielers passende Rollenbesetzung … weckten einen Eindruck und eine Aufmerksamkeit, wie wir hier noch keine verzeichnen durften. Das Ganze war eine Bravourleistung, die ihren bleibenden Eindruck behalten wird.“

Im Jahr darauf präsentierte die Theatergruppe die Produktion "Der Herr der Berge",
ein romantisches Schauspiel in vier Akten. Dieses nicht unumstrittene, zeitgemäße Stück wurde an zwei Abenden vor ausverkauftem Haus gespielt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Aufführungen des Bühnenvereins schon weit über Rohrdorf hinaus Aufmerksamkeit erregt. Der Rezensent des Gesellschafters vermerkte in seinem Artikel:

„Die hiesige Vereinsbühne hat sich eben doch einen Namen gemacht und wir sind überzeugt,
dass sich die auswärtigen Gäste später wieder gern daran erinnern werden."

Die Theatergruppe spielte "Der Herr der Berge" auch in den folgenden Jahren mit großem Erfolg.

Als der Turnverein Rohrdorf 1934 in den Deutsche Reichsbund für Leibesübungen
eingegliedert wurde, ging für die Abteilung Bühne eine Ära zu Ende. Ein großes Verdienst des im Mai 1947 gegründeten Sport-Verein Rohrdorf war es, die Theatertradition wieder zu beleben und die Bühnenarbeit zu fördern. Schon am zweiten Weihnachtsfeiertag 1947 konnte die Theaterspielgruppe auf der Jahresfeier des Vereins zwei kurze schwäbische Schwänke aufführen. Der ausgesprochen gute Besuch der Weihnachtsfeiern des Sportvereins war nicht zuletzt den Schwänken und Lustspielen der Theatergruppe zu verdanken, die
über Jahre hinweg beste Unterhaltung garantierten.

Nachdem im März 1952 die Vereinsgeschäfte des SV Rohrdorf einstellt wurden, vergingen zwanzig Jahre bis Rohrdorf wieder einen Theaterabend des Bühnenvereins erleben durfte.
Zwischen 1971 und 1975 ließ das Bauerntheater des TSV Rohrdorf diehiesigeTheatertradition
wieder aufleben. Die Anerkennung, die das Bauerntheater in diesen Jahren
mit seinen Komödien und Sketchen erntete, konnte jedoch nicht verhindern, dass nach fünf Jahren Schluss war.

Doch die Tradition schlief nur und wartete geduldig darauf, vom Hosenbändeltheater,einer zu allem entschlossenen Gruppe Rohrdorfer Theaterfreunde, wach geküsst zu werden. Der Schwank "Der neue Herr Nachbar", mit dem die Theaterspielgruppe 2006 Premiere feierte war ein Riesenerfolg. Auch in den folgenden Jahren strapazierte das Hosenbändeltheater die Lachmuskeln des Rohrdorfer Publikums. Die Anfang dieses Jahres gespielte Boulevardkomödie
Kurzschlüsse wurde so turbulent und rasant präsentiert, dass damit ein Maßstab gesetzt wurde, an dem das Ensemble in den kommenden Jahren gemessen werden wird.

Hinter diesen Erfolgen verbergen sich natürlich unglaublich viel Eifer und Konzentration.
Schon bei der Auswahl der Theaterstücke, die in der Regel schon Anfang Juli getroffen wird, müssen die Gegebenheiten und Stärken des Rohrdorfer Ensembles berücksichtigt werden. Um dem Publikum einen beeindruckenden Theaterabend zu bieten, sind bis zu 35 Probenabende nötig, die mitunter auch drei Stunden dauern können. Während dieser Proben wird viel gelacht und gelegentlich auch ein wenig gestichelt. Es gibt aber auch viele ernsthafte Diskussionen wie der Text lebendig und wirksam transportiert werden kann und es
wird intensiv an Timing und Gestik gearbeitet.

Ganz wesentlich für den reibungslosen Ablauf und letztlich auch für den Erfolg eines Theaterabends sind die vielen unsichtbaren Helfer, die diese Projekte begleiten: ohne den Regisseur, die Souffleusen, die Bühnenbildner, die für Maske und Kostüme Verantwortlichen und eine genau abgestimmte Technik wäre so ein Theaterabend gar nicht möglich.
Angesichts dieses großen Engagements vieler Einwohner der Gemeinde überrascht
es nicht, dass die Aufführungen des Hosenbändeltheaters zu einem gesellschaftlichen
und kulturellen Höhepunkt im Veranstaltungskalender der Gemeinde
Rohrdorf geworden sind.